Donnerstag, 18. Februar 2016

Scheibenfeuer

Seit Juni letzten Jahres singe ich im Gesangverein Niederweiler. Klingt komisch, ist aber so. Neben einem Hoffest im Juni richtet  dieser Verein auch das Scheibenfeuer am 1. Fastensonntag aus. Dabei werden mittels Haselnussruten quadratische Buchenholzscheiben, die man zuvor an einem Scheiterhaufen zum Glühen gebracht hat, über einen Schlagbock ins Tal geschlagen.

Zu meinem Leidwesen liegt der 1. Fastensonntag immer im Winter, wobei ich Winter als alles was unter 15° liegt definiere. Weshalb man mich auch niemals zuvor an einem Scheibenfeuer gesichtet hat. Ist absolut nicht meins. Aber grad gar nicht.

Sozusagen mitgesungen, mitgehangen trug ich mich in die Helferliste des diesjährigen Scheibenfeuers auf der Himmelswiese zu Niederweiler ein. Gläserwaschen von 17 bis 21 Uhr. Super. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, als ich, mir Mut zusprechend und mit ganz viel Sonne im Herzen, den Dienst antrat. Wie um mich zu verhöhnen pfiff der Wind um die Ecke, der Boden war matschig aufgeweicht. Meine Motivation passte sich den Außentemperaturen an.

Meine Sangeskollegen setzten derweil mit Glutnestern den Scheiterhaufen in Brand. Ich gehe mal davon aus, dass sie eine ganz bestimmte, jahrhundertelang erprobte, von Generation zu Generation weitergegebene, ganz spezielle Technik anwandten. Jedenfalls standen sie andächtig an ihre Mistgabeln gelehnt am brennenden Haufen, bewunderten ihr Werk und sahen, dass es gut war. Sie erinnerten mich an den Spruch "Männer werden 7 Jahre alt und dann wachsen sie nur noch".

Ob das denn nicht ein fantastischer Ausblick bis zu den Vogesen wäre, meinte der 1. Vorsitzende. War es zweifellos. Allerdings habe man den auch an einem Johannisfeuer im Juni, so meine Erwiderung. 
Blick aus der Spülküche

Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen, was allerdings tatsächlich einige nicht davon abhalten konnte, ihre Scheiben zu schlagen. Habe ich schon erwähnt, dass es saukalt war? Da half es auch nicht, dass ich ab und zu meine Hände in heißes Wasser tauchen konnte. Das hat meinen Füßen überhaupt nichts gebracht. Und mit diesen die Gläser zu spülen habe ich mich dann doch nicht getraut.

Zwischendurch demonstrierte ein weiterer Kollege, was er bis jetzt im Tanzkurs gelernt hat. Sehr vielseitig, diese Niederweilemer. Es sah allerdings ein wenig danach aus, als ob er für eine Parade für Kim Jong-un proben würde. Aber Hauptsache, es macht ihm Spaß.

Mein Nebenmann vom Getränkeverkauf erzählte derweil begeistert von seiner Leidenschaft, dem Skifahren. Als ob mir nicht schon kalt genug gewesen wäre. Am Samstag wäre er am Feldberg gewesen und am nächsten Samstag würde er nach Arosa fahren. Ich hatte das Gefühl, als ob dank dieser Erzählungen von Schnee und noch mehr Schnee kleine Eiskristalle durch meine Blutbahnen tanzten. 

Nein, so eine Kälte hätte er in den letzten 15 Jahren nicht erlebt, meinte ein weiterer Sangeskollege und strahlte mich aufmunternd an. An seiner Mitarbeitermotivation muss er noch arbeiten. Da habe ich offensichtlich mit meiner Scheibenfeuerpremiere einen Volltreffer gelandet. Ganz große Klasse. Schlagartig war mit klar, warum sich außer mir bei der letzten Probe noch niemand in die Liste eingetragen hatte. 



Ich konnte die Begeisterung der anwesenden Scheibenschläger immer noch nicht teilen, dachte aber bei mir, dass angesichts der strahlenden, rotwangigen Gesichter, den total verdreckten Hosen und Schuhen und den nach Rauch stinkenden Haaren doch noch Hoffnung für die Welt besteht.  

Eine halbe Stunde vor Schichtende hatte eine Kollegin Erbarmen und kam, um einen von uns abzulösen. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da war der Skifahrer weg. Er habe wahnsinnig kalte Füße, sprachs und war verschwunden. Gott sei Dank kam kaum 10 Minuten später die zweite Ablösung und ich konnte mich bei einer heißen Wurst und einem Kinderpunsch (der tatsächlich noch nicht ausverkauft war) aufwärmen. 

Auf der Heimfahrt wurden kurz vor Neuenburg meine Füße wieder an das Herz-Kreislaufsystem angeschlossen und wurden so wieder ein Teil von mir. Im Radio erklang "Zombie" von "The Cranberries", was so ziemlich genau meine körperliche Verfassung beschrieb.

In den allermeisten Fällen liegt das allergrößte Glück in den kleinen Dingen des Lebens. Zum Beispiel auf dem Sofa zu sitzen, eingekuschelt in eine Decke, die Füße an einer heißen Bettflasche gewärmt, um einen Mordfall in New Orleans zu lösen.








Sonntag, 7. Februar 2016

Mehr denn je

Wie ich denn auf das Motto der Fasnacht in Neuenburg gekommen sei, dass man Fasnacht mehr denn je brauche, wurde ich neulich gefragt. Nun, ich habe einfach meine Gedanken in Reimform gebracht. Denn ganz ehrlich, ich brauche eine Pause von der Massenhysterie, von der dieses Land befallen zu sein scheint. 

Meine größte Sorge heute war, ob es am Umzug regnet oder nicht, die vergangenen Tage waren geprägt vom Problem mit juckender Schminke, der Frage, wohin mit dem Charlie-Chaplin-Stock, Campari oder Caipi, Fertigpizza oder Currywurst, Stadthaus oder Steakhaus. Man grüßt mich mit "Hallo Wolfgang Petri" und ich habe in den letzten Tagen Tränen gelacht wie schon lange nicht mehr.

Dass ich diese Tage  mehr denn je brauche bestätigte mir die "Kurzfassung des Wahlprogramms der AfD, das gestern ungebeten der Werbung beilag.
Zuerst wollte ich diese ungelesen entsorgen, entschloss mich aber dann, mich schlau zu machen, was dieses Auffangbecken für Durchgeknallte für Vorstellungen hat und mit welchen Verbesserungsvorschlägen sie die Zukunft des Landes gestalten wollen. Da kommt einem schon das Grausen und das Grauen kriecht durch die Glieder. Die Geiferer, Eiferer, selbsternannten Weltenretter und Wichtigtuer gehen mir gehörig auf den Senkel. 

Ich werde das krude Machwerk aufbewahren. Es soll keiner hinterher behaupten, er hätte nichts davon gewusst. Außerdem stehen auf der Rückseite die Namen aller Kandidaten zur Landtagswahl drauf. Wer weiß, wann man die Info mal brauchen kann. Und vielleicht schämen sie sich ja irgendwann einmal, jemals auf so einer Liste gestanden zu haben.

Natürlich mutet es für Außenstehende etwas seltsam an, sich im wahrsten Sinne des Wortes zum Narren zu machen. Sich blaue Perücken aufzusetzen oder als Zebra durch die Lande zu traben. Andererseits bin ich geneigt, allen besorgten Bürgern zuzurufen: Hey, macht euch mal locker, geht an Umzüge statt zu Montagsdemos. Singt schwachsinnige Lieder  und schunkelt mit eurem Nachbarn, obwohl ihr den überhaupt nicht kennt. Euch öffnet sich eine ganz neue Welt.



Meine Auszeit dauert noch bis Dienstagabend. Bis dahin gilt es die Frage zu beantworten, wie ich das Thema "Mut zum Hut" für den Rosenmontag bei den Fröschen umsetzen kann. 

In diesem Sinne ein dreifach donnerndes Schnoog, Schnoog - Quak, Quak