Montag, 21. März 2016

Shosholoza

Es dauert ja immer eine Weile, bis man nach einer Reise tatsächlich wieder zu Hause ist. Bis die Seele nachgereist ist, sozusagen.

So richtig zu Hause bin ich daher immer noch nicht. Wobei der ganz normale Wahnsinn schon wieder Einzug gehalten hat. Mäc und Co. sind in Barcelona gestrandet, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Das war sie also - meine erste Reise nach Südafrika und meine erste Reise mit einer Reisegruppe. Und genauso zweigeteilt verlief auch die Tour. 



Man nehme alle Superlative, die einem in den Sinn kommen und wird Südafrika, seinen Menschen und der Natur doch nicht gerecht. Ich habe mich noch nirgends so willkommen gefühlt wie in diesem Land. Unglaublich, wie schnell man mit den Menschen ins Gespräch kommt. Dank meines Englischlehrers Arnold Walter klappte die Verständigung reibungslos. 
Mein Englisch habe einen britischen Akzent, meinte unser Busfahrer Neill. Und zack war ich innerlich ein Riese. An dieser Stelle tausend Dank Mr Walter.

Für die Rundreise in einer Reisegruppe hält sich meine Begeisterung in eher engen Grenzen. Zeitweise hatte ich das Gefühl, ich wäre mit Moser-Motz-Nörgel-Tours unterwegs. Es waren leider Mitreisende dabei, die waren in Südafrika und haben Deutschland nie verlassen. Den Vogel schossen dabei der Klugscheißer und die Duschkönigin ab. Unser Klugscheißer hatte immer einen guten Rat parat, was die Südafrikaner im allgemeinen und der Busfahrer, der Reiseleiter, das Hotelpersonal und was weiß ich noch wer im einzelnen, besser machen könnte. 
Die Duschkönigin hingegen beanspruchte für ihre abendliche Dusche auf jeden Fall eine Stunde. Dafür ließ sie auch ein Abendessen sausen und ging auf eigene Rechnung essen. Mir ist schon klar, dass man in fortgeschrittenem Alter etwas länger braucht, um alle Falten mit Farbe zuzuspachteln. Allerdings frage ich mich, für wen sie sich allabendlich so in Schale geworfen hat. Es gab ja in ihrer Altersklasse überhaupt nichts abzugreifen. Außerdem waren Doris und ich der Meinung, dass ein gutes Deo einen Abend locker zwei, drei Stunden überstehen lässt, ohne dass einem die Hunde nachlaufen. 

Auf der Straußenfarm haben wir erfahren, dass das Gehirn eines Straußes 40 Gramm wiegt. Auf sehr viel mehr kam der ein oder andere Mitfahrer auch nicht.

Ich hatte mir vor der Reise ein Mäntelchen aus Gelassenheit und Gleichmut genäht und so perlten die diversen Merkwürdigkeiten an mir ab. Meistens jedenfalls. Ab und zu entgleiteten mir allerdings die Gesichtszüge.

Gott sei Dank gab es noch Chris und Lore-Hase (und Helga, Karl-Heinz und Gertie). Die beiden sind aus Gottenheim und haben aus unserem Dialekt haarscharf geschlossen, dass wir aus der Nähe von Freiburg sein müssten. Wir hatten eine tolle gemeinsame Zeit. Und gibt es etwas Besseres, als mit Gleichgesinnten über die nervenden Mitfahrer abzulästern? Eben. They made my journey. Lore ist übrigens eine Arbeitskollegin von Bernies Cousin. Und in Knysna haben wir einen aus Oberried getroffen, der einen Arbeitskollegen von Doris kennt. 

Auch unser Reiseleiter Herbert Peter war eine coole Socke, der sich von den Nörglern überhaupt nicht beeindrucken ließ. Vor drei Generationen wanderten seine Ahnen als Missionare nach Namibia aus, mittlerweile wohnt er in Südafrika und macht den Job als Reiseleiter nur aus Spaß an der Freude.  

Für mich bot sich die Gelegenheit, mich von der Gruppe abzusetzen, als der Großteil sich zu einer Weinprobe aufmachte. Da ich keinen Wein trinke nutzte ich stattdessen die Zeit, und erkundete Kapstadt. Und nein, ich hatte keine Angst, alleine in der Stadt unterwegs zu sein.































Ohne Safari im Krügerpark ist eine Reise nach Südafrika unvollständig. Man wird ehrfürchtig angesichts dessen, welche Schätze die Natur bietet. Kotzen könnte ich angesichts der Tatsache, dass jährlich über 400 Nashörner abgeschlachtet werden, nur weil man in Teilen Asiens der Meinung ist, dass das Horn potenzsteigernd wäre. 

Bei Beginn der Tour hat man den Ehrgeiz, die sogenannten Big Five vor die Linse zu bekommen. Eine Garantie gibt es natürlich in einem 20.000 km² großen Gebiet nicht. Doch unsere Gruppe hatte das Glück. Sogar den Leoparden haben wir gesehen. Ein junges Weibchen, das buchstäblich über einem Ast hing und sich von den zahlreichen Jeeps überhaupt nicht beeindrucken ließ.

Auf der Rückfahrt machten wir Halt zum Mittagessen und aßen gefüllte Pfannkuchen. Das Lokal war zur Seite offen. Die Portionen waren mehr als reichlich, für eine Mitreisende deutlich zu groß. Ein Straßenhändler trat auf sie zu und fragte, ob er den Rest essen dürfe. Das beschämt. Gerade auch im Angesicht des Gejammers in Deutschland.

Ich habe noch sehr viel mehr Geschichten, für diesen Post soll es aber genug sein. 

Die Rundreise war seitens des Veranstalters unglaublich straff organisiert, d.h. für die einzelnen Sehenswürdigkeiten war viel zu wenig Zeit zur Verfügung. Für meine Vorstellung des Reisens war ich zu fremdbestimmt. Was natürlich nach sich zieht, dass ich nochmal hin muss. 

"Shosholoza" ist ein Südafrikanisches Lied, das sich als Ohrwurm bei mir eingenistet hat. Es kann übersetzt werden mit "mutig nach vorn schauen". Wäre für Deutschland auch keine schlechte Einstellung.
















Dienstag, 1. März 2016

uBuntu

Neulich rief mich meine Tante an. Mir ist immer mulmig zumute, wenn sie anruft. Tante bedeutet ja Elterngeneration und die ist halt doch schon betagt. Ich rechne also eigentlich immer mit schlechten Nachrichten.

In diesem Fall handelte es sich allerdings nicht um selbige. Im Gegenteil. Sie wäre ganz verzweifelt auf der Suche nach einer Mitreisenden nach Südafrika. Ihre Cousine, mit der sie die Reise geplant hatte, musste absagen und alleine wollte sie nicht gehen.

Jetzt bin ich ja ein überaus hilfsbereiter Mensch, der zudem nicht "Nein" sagen kann, und wenn jemand so verzweifelt um Hilfe bittet schon gar nicht. Demnach fliege ich also am nächsten Dienstag nach Südafrika.

Mit der Tante zu verreisen klingt nach Agatha Christie. Wenn die Nichte mit der Tante unterwegs ist, wobei die Tante ständig angeschickert ist, die Nichte etwas verhuscht daher kommt, mindestens zwei Mitreisende erschossen/erstochen/vergiftet werden und Hercule Poirot und seine kleinen grauen Zellen souverän die Morde aufklärt.

In meinem Fall ist die Tante gerade mal fünf Jahre älter, angeschickert werden wir beide ab und zu sein und als verhuscht würde ich mich nun nicht beschreiben. Sollte uns allerdings Hercule Poirot auf der Rundreise begleiten, muss ich mir doch Gedanken machen.

Im letzten Jahr war ich mit der coolsten Reisegruppe der Welt auf Sri Lanka. Ich bin sehr gespannt, mit wem ich es in diesem Jahr zu tun habe. 

Abgesehen davon, dass ich sowieso unbedingt mal nach Südafrika wollte, kommt mir die Reise gerade recht. Ich bin froh und dankbar, in Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein. Ich lebe sehr gerne in diesem Land. Es ist ein Privileg, aber ich kann nichts dafür. Es ist eine äußerst glückliche Fügung. Aber im Moment brauche ich eine Pause. Mir geht die herrschende Hysterie gehörig auf den Sender. Das kollektive Rumgejammere nervt. Von den Vorkommnissen in Sachsen ganz zu schweigen. Ich habe genug vom Geplärre aus Bayern, von verpesteter, stinkender Sch....aus dem braunen Sumpf, von besorgten Bürgern, von geistigen und realen Brandstiftern usw. usw. 

Etwas mehr Demut würde vielen gut zu Gesicht stehen. Etwas mehr Gelassenheit. Deutschland, chill doch mal. Stell dir vor, der überwiegenden Mehrheit der Menschen dieser Welt geht es wesentlich schlechter. 

Ich hoffe, dass sich die aufgeheizte Stimmung nach den Landtagswahlen wieder etwas normalisiert. Wenigstens ein bisschen. Selbstverständlich habe ich per Briefwahl mein Votum abgegeben und bin sehr gespannt, wie die politische Landschaft nach meiner Rückkehr aussieht. Und ob ich ein weiteres Mal zur Bürgermeisterwahl gebeten werde. Ich hoffe nicht.

Elisabeth schenkte mir einen wirklich genialen Reiseführer, in dem die afrikanische Philosophie des uBuntu beschrieben wird. Eine Philosophie, die mich fast ein wenig beschämt hat. uBuntu kommt aus der Sprache der Bantu und bedeutet: "Ich bin, weil ihr seid und ihr seid, weil ich bin." uBuntu bedeutet Nächstenliebe, Menschlichkeit, Gemeinsinn, Respekt und Anerkennung für seine Mitmenschen. Das eigene Wohlergehen und das Wohlergehen einer Gemeinschaft hängt ab vom respektvollen Umgang miteinander und von der Erkenntnis, dass jeder nur der Teil eines Ganzen ist. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Nächsten Dienstag geht es also los. Was den Flug angeht, ist mir schon etwas unwohl. Ich bin jetzt nicht gerade der begeisterte Flieger. Ich frage mich jedesmal, warum es immer noch nicht möglich ist, schneller zu fliegen. Da beweist man das Vorhandensein irgendwelcher Gravitationswellen, CERN beschleunigt Teilchen und nur Gott und ein paar Physiker wissen warum. Und was hat die Menschheit davon? Ich sitze immer noch 12 Stunden im Flieger und hoffe, dass der Vogel oben bleibt.