Auf der Autobahn Richtung Freiburg war ich mir dann kurzfristig nicht mehr sicher, dass ich in die richtige Richtung fuhr und ob ich mich überhaupt noch in Deutschland befand. Überholt wurde ich ausschließlich von schweizer Autofahrern, wobei ich an dieser Stelle anmerken darf, dass ich wirklich nicht auf der rechten Spur rumgeschlichen bin. Aber die Mitbenutzer unserer Autobahn aus dem Nachbarland haben es bekanntlich immer etwas eilig.
Größere Probleme bereitete mir allerdings die Fahrt in Freiburg und meine Sorge, dass ich früher oder später einen Radfahrer am Kühler kleben habe. Ging aber alles gut und ich trödelte mich von einer roten Ampel zur nächsten bis ich zu meinem großen Erstaunen doch noch den Parkplatz an den Kliniken erreicht hatte.
Die Intensivstation habe ich relativ schnell gefunden. Von meiner Mutter und dem behandelnden Arzt keine Spur. Ich solle einfach warten, er käme sicher gleich. Das gleich war dann nach einer Stunde erreicht. Meine Mutter müsse zum CT, so die erste Info. Wie lange das denn ginge, so ungefähr. Möglicherweise eine halbe Stunde, es könne aber auch länger dauern, es wäre halt Samstag. Natürlich war das mit der halben Stunde Quatsch, nach eineinhalb Stunden tauchte der Herr in Weiß wieder auf und erklärte mir, ich solle einen Augenblick warten, er würde mit mir dann die Operation besprechen.
Ärzte haben offensichtlich eine andere Definition von Zeit. Der Augenblick dauerte eine Stunde. In dieser Zeit habe ich mir überlegt, wie viele Jahre meines Lebens ich wartend verbracht habe. Ich wartete auf Bahnhöfen, Flughäfen, Arztpraxen, Behörden. In Schulen, an der Kasse im dm, man wartet auf Handwerker oder Rückrufe. In dieser Zeit hätte ich wahrscheinlich locker ein, zwei Fremdsprachen lernen können.
Zu lesen hatte ich natürlich nichts dabei und ich schwor mir, dass ich nie mehr ohne meinen tolino aus dem Haus gehen würde. Ich dämmerte im Wartebereich vor der Intensivstation vor mich hin und entschloss mich deshalb, mir einen Kaffee zu organisieren. Außerdem tat mir ein bisschen Bewegung sicher gut. Einen Kaffeeautomaten habe ich nach längerer Suche tatsächlich auch gefunden. Dallmayr. Immerhin. Natürlich hatte ich keine 70 Cent dabei, die 30 Cent Rausgeld auf meinen Euro hat der Automat dankend einbehalten.
Ich müsse noch auf den Anästhesisten warten, die Narkose müsse besprochen werden, das ginge sicher nicht lange. Alles klar.
Mittlerweile hatte ich jedes Gefühl für Zeit verloren. Eine dreiviertel Stunde später kam die Anästhesistin. Sie war sehr nett. Nach einer viertel Stunde war dann soweit alles besprochen. Woran man merkt, dass man alt wird? Wenn die Ärzte deine Kinder sein könnten.
Ich müsse jetzt noch auf den Pfleger warten, der gibt mir dann Bescheid, wann ich nochmal zu meiner Mutter gehen könne. Nach einer Stunde kam der Pfleger, ich sprach kurz mit meiner Mutter und machte ihr Mut. Auch der Pfleger bot mir an, bis nach der Operation zu warten.
Nachdem sich die Türen der Intensivstation hinter mir geschlossen hatten, machte ich mich auf den Heimweg. Im Labyrinth der Uniklinik habe ich mich natürlich verlaufen und ich erwischte den falschen Ausgang. Ich musste mich am Stand der Sonne orientieren um überhaupt eine Ahnung zu haben, in welcher Richtung mein Auto stand. Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich an meinem Auto war. Der ganze Unikomplex ist mit Sicherheit größer als Zienken. Wahnsinn.
Meine Mutter hat die Operation übrigens gut überstanden. Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Jetzt warten wir einfach ab.