Nachfolgende - fiktive - Geschichte ist schon etwas älter und spielt im Ferienlager 2009. Allerdings finde ich sie so gut, dass ich es schade fände, wenn sie bei mir im Archiv verstaubt.
Außerdem spiegelt sie meine damalige Befindlichkeit ganz gut wider.
Ich weiß nicht genau, wie es sich mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verhält. Deshalb habe ich sicherheitshalber die Namen von einigen Protagonisten bis zur Unkenntlichkeit verfremdet.
Die Geschichte ist etwas länger. Deshalb gibt es sie in zwei Teilen.
Es
hatte sich seit dem letzten Jahr nichts verändert. Nicht ein
Wölkchen trübte den herrlichen Ausblick in die traumhafte
Bergkulisse. Einige Kinder saßen an den Tischen vor dem Haus und
widmeten sich konzentriert ihrem Tun, wieder andere saßen still in
der Sonne. Das liebevoll gestaltete Ferienhaus schmiegte sich an den
von saftigem Grün bewachsenen Steilhang, und noch immer stattete der
Fuchs in der Nacht den Gästen einen Besuch ab. Ganz in der Nähe
waren Kuhglocken zu hören, etwas unterhalb grasten Pferde und warfen
ab und zu einen neugierigen Blick nach oben. Es war die Hölle.
»Ich
sag’s euch ganz ehrlich: Irgendwann bring ich ihn um!!« Lisa
stürmte in das Zimmer, in dem sich heimlich die Leiter und das
Küchenteam trafen. »Der überlebt das Lager nicht, das schwör ich
euch.«
»Komm
setz dich erst mal und beruhige dich. Die restlichen paar Tage
bringen wir auch noch mit Anstand hinter uns.« Jürgen mahnte wie
immer zur Besonnenheit. »Lass uns erst mal die Gedenkminute für
Elisabeth einlegen.«
»Ne,
noch nicht. Der Christian fehlt noch. Wo ist der eigentlich?»
Kerstin hatte wie immer ein wachsames Auge, wenn es um Christian
ging. Denn das Mörderspiel lief selbstverständlich trotzdem.
Allerdings beschränkt auf das Leiter- und Küchenteam.
»Der
muss noch die grässliche Frieda massieren. Hat eine Wette gegen
Magdalena verloren,« meinte Theresa lapidar, die daraufhin mit
ungläubigen und teilweise angeekelten Blicken bedacht wurde.
»Bitte
keinen Kommentar!» Christian betrat entnervt das Zimmer. »Lasst uns
anfangen.«
Und
so legten sie wie jeden Abend eine Gedenkminute für Elisabeth ein,
die sich in einer Klinik von ihrem Nervenzusammenbruch erholte.
Das
Ereignis, das alle Beteiligten in diese unglückliche Lage brachte,
lag drei Wochen vor Beginn des Ferienlagers. Elisabeth hatte
erfahren, dass das Ordinariat einen Aufpasser nach Neuenburg
abstellen werde in der Absicht, ein waches Auge auf sie und die, wie
es das Ordinariat nannte, Aufwiegler, zu halten und notfalls
geeignete Schritte zu unternehmen. Sein Name: Frodo Franz. Elisabeth
verputze daraufhin zwei Familienpackungen Mon cheri und
stürmte in die gerade stattfindende Pfarrgemeinderatssitzung. Sie
nannte Frieda Schrottmann eine frustrierte alte Jungfer, die bis ans
Ende ihrer Tage ein freudloses Dasein fristen werde, Frau Börne eine
scheinheilige Schnepfe, die eine Beleidigung für die Menschheit sei
und Schwester Helena ein intrigantes, verschlagenes Miststück. Sie
klärte die völlig fassungslosen Anwesenden darüber auf, dass der
liebe Frodo ohne Erlaubnis seiner Mutter nicht mal einen Furz
lassen kann, bezeichnete Hans-Peter Rasentrick als machtbesessene
Arschgeige und den ganzen Rest des Pfarrgemeinderates als
schlappschwänziges Pack. Ihr
„Was-ich-euch-immer-schon-mal-sagen-wollte“ wurde durch das
beherzte Eingreifen von Andreas Fux beendet, indem er Elisabeth
kurzerhand aus dem Saal trug und den Krankenwagen rief. Seitdem
erholte sie sich in der Klinik.
Die
Leiterrunde entschied, das Lager notgedrungen ohne Elisabeth
stattfinden zu lassen, so kurz vor Beginn konnte man es auch kaum
mehr absagen. Nach drei unbeschwerten Tagen in Lenzerheide tauchte
dann ein Auto auf: Frodo und Frieda übernahmen ohne Rücksicht auf
Verluste die Leitung.
Für
die Leiter und Kinder zog dies natürlich grundlegende Veränderungen
nach sich. Das ganze Programm wurde umgeworfen. Statt Morgenlob gab
es um 5 Uhr eine Eucharistiefeier mit Teilnahmepflicht. Danach musste
schweigend das Frühstück eingenommen werden. Die Kreativangebote
bestanden aus dem Fertigen von Rosenkränzen und Geißeln für den
Hausgebrauch. Es gab Meditationsrunden, Glaubenskreise und eine
Einführung in das Leben und Wirken von Edith Stein. Das
nachmittägliche Angebot von Kaffee und Kuchen wurde gestrichen, da
dies ein Ausdruck von Völlerei sei. Statt der Sternstunde gab es die
stille Anbetung, die allabendlich von Stefan gefilmt werden musste.
Um 21 Uhr war Bettruhe. Das Abendprogramm wurde ersatzlos gestrichen.
Statt eines Musicals wurde ein Passionsspiel eingeübt, das im
nächsten Jahr auf dem Kirchplatz aufgeführt werden sollte. Frodo
und Frieda wollten dies –ähnlich wie in Oberammergau- auch in
Neuenburg etablieren.
Jürgen
war zwar nicht sonderlich begeistert, allerdings sagte er zu, sich um
die Musik zu kümmern. Jürgen ist, was Musik betrifft, auch nicht so
leicht abzuschrecken. Man sah ihn schon mit den „Listigen
Rebläusen“ auf dem Rathausplatz lustige Lieder spielen, also war
ein Passionsspiel grundsätzlich kein Problem. Anders verhielt es
sich da bei seinen Musikerkollegen. Lukas hatte keine Lust auf
Passion und nein, er wolle nicht die Rolle von Jesus übernehmen und
außerdem sei er sowieso evangelisch. Karsten sprang dafür ein unter
der Bedingung, dass Theresa die Rolle der Maria-Magdalena übernimmt,
das habe ja auch schon bei High-School-Musical geklappt. Troy und
Gabriella wären ja schon irgendwie krass gewesen. Mit Theresa
verhält es sich ähnlich wie mit Jürgen: Sobald sie hört, sie
könne auf die Bühne, nimmt sie die Gelegenheit war. Allerdings
musste man ihr schonend beibringen, dass Maria-Magdalena nicht
hüfteschwingend über einen Catwalk läuft. Und auch ihr Kostüm war
nicht sonderlich prickelnd. Eher sackmäßig. Außerdem bestand sie
darauf, auch am letzten Abendmahl teilzunehmen. Das Küchenteam
weigerte sich standhaft, im Chor mitzusingen. Der bestand daher auch
nur aus der grässlichen Frieda.
Christian
war bereit, zusammen mit Jan das Kreuz zu zimmern. Christoph wurde
als Jünger bestimmt, wegen der Fußwaschung. Lea beaufsichtigte das
Dornenkronenbasteln.
Nach
der ersten Woche wurde ein Großteil der Kinder von wütenden Eltern
abgeholt, Sebbi Ziel strich als einziger der Leiter die Segel und
fuhr heim. Sieg-Linda stieß als Lagerkind neu hinzu. Platz gab es
also in Hülle und Fülle und so trafen sich Leiter und Küchenteam
jeden Abend in einem anderen Zimmer zur Krisensitzung.
»Und
wie würdest du das anstellen?« nahm Angelika Lisas Anregung zum
Tode von Frodo wieder auf. »So einfach wäre das sicher nicht zu
bewerkstelligen.«
»Ach,
da fällt uns schon was ein. Du könntest ihn doch auf einer deiner
Wanderungen mitnehmen und ihn in eine Schlucht werfen,« brachte sich
Gaby konstruktiv in die Diskussion ein. Um dem Horror zu entfliehen
und auch ein klein wenig im Gedenken an Elisabeth bot Angelika
täglich eine Wanderung an. Mittlerweile kannte sie jeden Stein in
der Umgebung.
»Zu
viele Zeugen. Ihr wisst ja, wie begehrt meine Wanderungen sind. Das
würde schwierig werden, den Frodo unbemerkt eine Schlucht hinunter
zu schubsen. Außerdem, was, wenn der Sturz nicht tödlich ist? Dann
komm ich ganz schön in Erklärungsnot. Andreas, du könntest ihm
doch ein leckeres Pilzgericht kochen.«
»Klar,
ist auch völlig unverdächtig. Nein, nein, es müsste schon wie ein
Unfall aussehen. Und da wäre ein Sturz halt doch die einfachste
Lösung.«
»Und
was machen wir mit Frieda? Die würde doch garantiert Verdacht
schöpfen.« Karstens Einwand war nicht von der Hand zu weisen.
»Na
und? Kann sie ja. Sie kann uns ja nichts beweisen.« wischte Lisa
Karstens Bedenken vom Tisch.
Und
so saßen sie noch bis drei Uhr früh, spannen Mordpläne und malten
sich ein Leben ohne Frodo in den schönsten Farben.
Alle
außer Frodo, Frieda und Sieg-Linda fieberten dem Ende dieses
unsäglichen Ferienlagers entgegen. Noch drei Tage, wieder saß man
etwa 2 Stunden nach dem Abendessen zusammen, ließ bei Rotwein und
Feldschlösschen die Seele baumeln, als ein durch Mark und Bein
dringender Schrei dem harmonischen Abend ein Ende bereitete.
Blitzschnell waren alle auf den Beinen und stürmten in Richtung
Küche, von wo ihnen eine schreiende Sieg-Linda entgegen rannte. Das
Kind war völlig außer sich und stammelte unzusammenhängende Worte,
von denen als einziges Pfarrer zu entschlüsseln war. Lari
nahm sich schützend des Kindes an und brachte es in sein Zimmer.
Beate rannte, um Notfalltropfen zu holen, irgendwie musste das
Mädchen ja zu beruhigen sein. Die anderen machten sich weiter auf
die Suche nach dem Grund von Sieg-Lindas Zusammenbruch.
Sie
wurden fündig, als die die Tür zum Vorratsraum öffneten. Am Fuße
der Treppe lag der Pfarrer. Tot.
»Gelobt
sei Jesus Christus!«
»In
Ewigkeit, Amen.« Betreten sahen sich Angelika und Gaby an.
Christian
fand von den Leitern als erster die Fassung wieder. »Lass mich mal
durch,« bat er. Sie machten ihm Platz und er betrat beherzt die
Treppe. »Und Tschüss.«
»Ach,
Mensch Christian, das ist nicht fair. Das gilt jetzt nicht.« Kerstin
regte sich mal wieder über die unfaire Spielweise von Christian auf.
»Also
ich würde sagen, der Andreas und ich gehen erst mal eine rauchen.«
Elke dachte wie immer an das Naheliegenste und löste so die
allgemeine Konsterniertheit.
»Als
Unfall können wir es auf jeden Fall nicht aussehen lassen.» meinte
Andreas, ehe er sich Elke anschloss. »Das ist nämlich mein Messer,
das da in seiner Brust steckt!«
In
der Zwischenzeit hatten sich in der Küche sämtliche Lagerkinder
eingefunden und man hatte Mühe, sie davon zu überzeugen, dass es
nichts Besonderes zu sehen gäbe. Sieg-Linda habe nur schlecht
geträumt und werde sich sicher gleich beruhigen.
»Und
was machen wir jetzt mit dem toten Frodo? Wir können ihn wohl kaum
hier liegen lassen. Da liegt er nämlich im Weg. Ich habe keine Lust,
jedes Mal außen rum in den Vorratsraum zu latschen.« Beate dachte
wie immer praktisch.
»Ich
würde vorschlagen, wir verständigen die Polizei und die
Spurensicherung.«, ergriff Theresa das Wort.
»Ja
klar, und dann kommen Mac Taylor, Horatio Caine und Stella Bonasera
vom CSI Lenzerheide. Aber du hast recht. Seit wann er wohl schon da
liegt?« nachdenklich blickte Heike in die Runde.
»Da
müssten wir schauen, ob die Leichenstarre schon eingesetzt hat und
wie hoch seine Körpertemperatur noch ist. Aber das soll meinetwegen
die Polizei rausfinden. Von uns hat ihn jedenfalls keiner ermordet,
oder?« Kerstin blickte alle herausfordernd an.
»Du
brauchst mich gar nicht so anzusehen, ich war’s nicht.« Jan hob
abwehrend die Hände. Jeder
beteuerte seine Unschuld.
Fortsetzung folgt ...
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