Montag, 2. November 2015

Auswärtsspiel

Wir könnten doch nach dem Allerheiligen-Friedhofsbesuch in Freiburg anschließend nach Munzingen fahren. Dort spiele die 1. des FC Neuenburg. Wer konnte ein so verlockendes Angebot seitens meines Mannes schon ausschlagen? Außerdem versprach mir Bernie einen sonnigen Herbsttag, sobald sich der Nebel verzog. Und das würde er ganz bestimmt.

Also in Freiburg war es immer noch neblig, meinte Mäc, die vom Bodensee kommend durch Freiburg fuhr. Das mit dem Nebel, der sich noch verziehen sollte, glaubte sie nicht so recht. Ich hätte auf sie hören sollen.

Natürlich verzog sich nämlich überhaupt nichts. Im Gegenteil. Im Laufe des Nachmittages wurde die Sicht immer trüber und passte sich damit wunderbar der Stimmung unter den Neuenburger Fans an.

Flüchtlings,- Asyl,- Nahost- und sonstige Krisen: Vergesst es. Die wirklichen Dramen spielen sich jedes Wochenende auf und neben den Fußballplätzen der Republik ab. Alles hochemotional. Da wird gepöbelt und gestänkert, gemotzt und geschrien und lauthals der Unmut über das Versagen wahlweise des Schiedsrichters, des Gegners oder gerne auch der eigenen Mannschaft kundgetan. 

Die Chancenauswertung unserer Truppe war mal wieder eher suboptimal. Nachdem man großzügig auf die Führung verzichtet hatte und die Einladungen zum 1 und 2:0 dankend ablehnte, kam es, wie es kommen musste: Die Munzinger gingen 1:0 in Führung. Tja, das ist eben so wie im richtigen Leben. Wenn du deine Chancen nicht nutzt kommt ein anderer der nicht lange fackelt und hängt dich ab.

Zur Halbzeit stand es also 1:0 für Munzingen und der Nebel sank leise nieder. Kälte kroch mir in die Glieder und ich fragte mich, was ich eigentlich an diesem unwirtlichen Ort verloren habe. Überhaupt nichts, dachte ich mir und verzog mich ins Clubheim zu einer schönen heißen Tasse Tee. Ich beobachtete die 2. Halbzeit am Fenster stehend, zwischenzeitlich fiel das 2:0, die Emotionen kochten, der Schiedsrichter pfiff sich die Seele aus dem Leib, rote Karte für Munzingen, rote Karte für Neuenburg, mann da ging die Post ab. Alles ganz normal.

Kurz vor Ende des Spiels kam ein Munzinger ins Clubheim, aufgebracht schimpfte er über die Neuenburger Fans, so was habe er ja überhaupt noch nicht erlebt - schlimmer waren nur die aus Steinenstadt. So so denke ich und muss schmunzeln, das bleibt ja wenigstens in der Familie. Dann meinte er, das ist doch ein Pack, was da hergekommen wäre.

Dann war meinerseits Schluss mit Schmunzeln. Das reiche jetzt, meinte ich, ich würde mich (und im Übrigen auch die mitgereisten Anhänger) schon mal überhaupt nicht als Pack bezeichnen lassen. Natürlich gab dann ein Wort das andere und ich verlor zugegebenermaßen leicht die Contenance. Kann schon sein, dass ich leicht die Stimme erhoben und mit dem Finger gefuchtelt habe. Aber Pack? Geht's noch? Jedenfalls stürmte mein Kontrahent wütend aus dem Lokal und ward nicht mehr gesehen.

An der Theke stand ein grauhaariger älterer Mann, der versuchte, die Wogen etwas zu glätten. Sehr diplomatisch, muss ich sagen. Er kam dann zu dem Schluss, der Schiri sei sowieso schuld, weil er schlecht gepfiffen habe. Praktisch. Am Ende ist der Schiri Schuld.

Kurz darauf, das Spiel endete 2:1 für Munzingen, stürmte dann ein weiterer Einheimischer ins Clubheim und verkündete lautstark, er würde die Neuenburger Nummer 10 verklagen wegen Körperverletzung. Alle Beschwichtigungsversuche fruchteten nicht. Ich dachte mir, die haben hier wohl alle ein Rad ab, war aber still. Als er das Lokal verließ, bedankte er sich in meine Richtung. Bernie, der sich zwischenzeitlich zu mir gesellt hatte, sah mich verwundert an und fragte, ob der mich gemeint habe. Keine Ahnung, wofür genau der sich bedankte. Vielleicht für den Umsatz im Clubheim, für den das "Neuenburger Pack" gesorgt hat? 

Man kann mir an dieser Stelle unterstellen, ich hätte das Geschehen durch eine gelb-schwarze Brille beobachtet und ich wäre auf dem linken Ohr fast taub. Aber ganz ehrlich, mir ist ein ungebührliches Verhalten seitens der Neuenburger Fans nicht aufgefallen. Nichts, was außerhalb des üblichen Rahmens liegt. Wir waren, denke ich, zahlenmäßig überlegen und damit einfach lauter. Aber wenn die Munzinger bei Heimspielen lieber zu Hause bleiben (was ich ihnen an diesem Sonntagnachmittag überhaupt nicht verdenken konnte), ist das wohl deren Problem. Und eine Klage wegen Körperverletzung? Echt jetzt?

Beim Fußball geht es hoch her. Das war schon immer so. Schon meine Oma ging mit einem Schirm auf den Schiedsrichter los und erhielt daraufhin Platzverbot (und natürlich hat sich mein Onkel in Grund und Boden geschämt). Das muss man aushalten.

Im besten Fall steht man nach dem Schlusspfiff an der Theke und trinkt was zusammen. Also die anderen. Ich nicht. Das sieht mit einer Tasse Tee einfach zu blöd aus.

  




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