Mittwoch, 11. November 2015

"Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen ...

... man weiß nie was man kriegt". 

Wer hatte gestern den Termin vor dem Verwaltungsgericht Freiburg auf dem Schirm, in dem es um die Bürgermeisterwahl ging und die Frage, ob die Wahl gültig war oder nicht ? Also ich nicht. Was sollte auch schon schief gehen? Dem Termin konnte man relativ gelassen entgegen sehen.

Gestern Nachmittag war es dann vorbei mit Gelassenheit. Völlig ungläubig saß ich vor dem PC und konnte nicht fassen, was auf BZ online zu lesen war: Bürgermeisterwahl ungültig, Neuwahlen (sofern niemand Einspruch gegen das Urteil einlegt). Rumms. Schockstarre. Die vermeintliche Lobhudelei über den amtierenden Bürgermeister Schuster in einem Artikel in der Stadtzeitung fünf Wochen vor der Wahl stellten eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. So so.

Das geschriebene Wort, egal wie es zum Leser kommt, hat heute eine immer geringer werdende Halbwertzeit. Information gelesen, zack, weg, nächste Info. Da kann mir niemand erzählen, er würde sich am Wahltag noch an einen Artikel vor fünf Wochen in der Stadtzeitung erinnern. Oder er habe sich eigens Notizen gemacht, um sich die Entscheidung zu seiner Wahl fünf Wochen später nochmal ins Gedächtnis zu rufen. Lächerlich. Aber ich habe ja auch nicht Jura studiert und habe demnach keine Ahnung. 

Frau Wörlein jubelt, der Rechtsstaat habe gesiegt, als ob dieses Urteil eine Änderung in der Verfassung initiiert hätte. Hat es natürlich nicht. Es ist ein ganz normales Urteil, gefällt von einem unabhängigen Richter, ein anderer Richter wäre möglicherweise zu einem anderen Urteil gekommen. Teile ihrer Anhängerschaft kriegen sich vor Schadenfreude nicht ein und sehen Chancen auf eine erfolgreiche Wahl.

Mir war bis dato nicht bekannt, dass ich für solch ein bedeutendes Presseorgan wie dem Neuenburger Amtsblatt geschrieben habe. Dass unser Amtsblatt von so großer Bedeutung für die Leser ist, dass die Artikel sogar eine Wahl beeinflussen können. Krass. Hätte ich wirklich nicht gedacht. Sehr geehrter Richter Wolfgang Albers, sie beleidigen meine Intelligenz. Man kann zu besagtem Artikel stehen wie man will, aber er habe eine Wahl beeinflusst? Echt jetzt? 

Noch immer beschäftigt mich natürlich die Frage, warum Frau Wörlein (die sich übrigens auf ihrer Facebookseite als Politikerin bezeichnet - wie schräg ist das denn?) tut was sie glaubt tun zu müssen. Nachvollziehen kann ich es nämlich immer noch nicht. Ich fürchte, sie verkennt die Stimmungslage in der Stadt - die aus dem fernen Wiesbaden auch relativ schwer mitzukriegen ist. Woher kennt Frau Wörlein die Befindlichkeiten der Neuenburger Bürger? Die eine fährt nach der Urteilsverkündung ausgelassen nach Wiesbaden, der andere - wohl weniger ausgelassen - nach Hause nach Neuenburg am Rhein.

Mit ihren knapp über 37 Prozent erzielte sie bei der nunmehr ungültigen Wahl ein mehr als beachtliches Ergebnis. Zustande kam dies - wenn ich mich hier als Analyst betätigen darf - sicher aufgrund von Wählern, die von Frau Wörlein überzeugt waren, von Wählern, die Herrn Schuster einen Denkzettel verpassen wollten und von Wähler, die auch einen Torpfosten wählen würden, weil sie persönliche Probleme mit dem Amtsinhaber haben.

Welche Wähler am Ende bei der nächsten Wahl übrig bleiben, darüber kann man nur spekulieren. Wobei ich auf die Torpfosten tippe. Sollte sie nochmal auf über 37 Prozent kommen, würde mich das doch sehr wundern.

Neuwahlen also. Mit einer erneuten Vorstellung der Kandidaten. Herzlichen Glückwunsch Frau Wörlein. Da möchte ich nicht in ihrer Haut stecken. Aber wie gesagt, aus der Ferne kriegt man das halt nicht mit. Vielleicht wären die anstehenden Fasnachtsveranstaltungen ein guter Probelauf. 

Nun will sie also dem Rathaus vorstehen mit Mitarbeitern, die sie im Jahr zuvor noch der Wahlmanipulation bezichtigt hat. Super Idee. Wobei sich mir die Frage stellt, ob sie dann bei den Neuwahlen Wahlbeobachter anfordert. 

Selbstverständlich polarisieren Menschen in Machtpositionen. Es würde mich auch sehr befremden wenn wir einen Bürgermeister hätten, der everybody's darling ist. So jemand wäre mir dann doch sehr suspekt. Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und kenne meine Stadt schon sehr lange - im Gegensatz zu Teilen der Anhängerschaft der Politikerin. Ich fühle mich daher kompetent genug zu sagen, dass Herr Schuster in den vergangenen 24 Jahren nicht so wahnsinnig viel falsch gemacht hat.

Wie dem auch sein, ich hoffe, bei den vermutlichen Neuwahlen geht alles glatt und mein Kopfschütteln wird nicht chronisch. 

4 Kommentare:

  1. Zu deiner Analyse zum Wahlergebnis: Das Problem war eher die Fraktion "Ich geh nicht wählen, der wirds ja eh wieder" und "Kein Bock wählen zu gehen", was dafür gesorgt hat, dass die gute Frau bei der schwachen Wahlbeteiligung, solch eine Quote erreicht hat.

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  2. Stimmt, da gebe ich dir recht. An diese Fraktion habe ich nicht gedacht.

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  3. Ich fresse meinen Besen wenn Sie gewählt wird!

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  4. Und wenn du uns jetzt noch deinen Namen verrätst machst du mich zu einem glücklichen Menschen :)

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