Freitag, 8. August 2014

Tempus fugit

Die Zeit flieht. Zeit flieht nicht nur, sie rast in einem Tempo an uns vorbei, dass man sich wünschen möge, einer würde auf die Bremse treten.

Natürlich war Zeit schon immer ein Faktor, der rein subjektiv mal schneller, mal langsamer vergeht. Jeder Schüler kann ein Lied davon singen. Je nach Fach ist die Stunde zu Ende, kaum dass sie angefangen hat. Oder auch nicht.
Ich hatte noch Samstags Unterricht, in der 11. Klasse 4 Stunden à 60 Minuten. Mit dem langweiligsten Mathelehrer des Universums. Ich habe keine Ahnung mehr, was der gute Herr S. uns versuchte zu vermitteln, auf jeden Fall weiß ich seitdem, was eine Nahtoderfahrung ist.   

In zahlreichen Lebenshilferatgebern ist von Entschleunigung die Rede. Nun, ich entschleunige. Von Theresa wird dies wohl fälschlicherweise als "auf dem Sofa rumliegen" wahrgenommen. Doch wenn ich noch mehr entschleunige, müsste man mich für tot erklären. Doch allein - es hilft nichts.

Wir sind Fußballweltmeister. Stimmt, da war ja was. Abgehakt, vorbei. Als ich 1974 Weltmeister wurde, dauerte die Euphorie darüber wesentlich länger.

Vor acht Wochen begann Magdalena ihre Tätigkeit als Aushilfe bei der Firma Neoperl. Irre. Schon acht Wochen her. In einer Woche gehe ich ins Ferienlager, in drei Wochen bin ich wieder zu Hause, dann ist September, der Sommer rum, die Tage werden schon spürbar kürzer, bald ist Weihnachten. Ich sollte mir schon mal Gedanken um Weihnachtsgeschenke machen. Spätestens am 2. Weihnachstfeiertag denkt man an Silvester und dann ist das Jahr 2014 auch schon wieder Geschichte.

In meiner Kindheit und Jugend spielten Filme in einer Zeit jenseits der 2000er. Computerlogbuch der Enterprise. Sternzeit 2.0.1.4
Nun lebe ich in dieser Zeit (leider weiß man noch immer nicht wie das mit dem Beamen geht. Könnte sich auch mal einer damit befassen, ihr lieben Physiker!). Leider ist die Welt immer noch der schlechte Ort, der sie schon immer war. Vietnam, Kambodscha, Argentinien, Chile, Afghanistan, Südafrika, der Prager Frühling, Eritrea, Biafra - die Schauplätze menschlichen Wahnsinns haben sich geändert. Ansonsten, same procedure as every year. 

Allerdings ist die Verweildauer bei den jeweiligen Katastrophen erheblich kürzer. Entführte Mädchen in Nigeria. Interessiert keine Sau mehr. Milliarden für eine WM aber kein Geld für ein marodes Bildungs- und Gesundheitssystem in Brasilien? Kurzfristig ein Aufreger. Abgesoffene Flüchtlinge vor Lampedusa? Schon längst keine Meldung mehr wert. Katastrophenhopping, sozusagen.

Im Bestreben, so aktuell wie möglich zu sein, werden noch die abstrusesten Meldungen übers Netz verbreitet, ohne den Wahrheitsgehalt überhaupt in Frage zu stellen. Schnell, schnell, jeder will der erste sein. Zack, zack, Twitter, Facebook, WhatsApp. Medialer Irrsinn der einen glauben machen kann, die Erde würde sich vielleicht doch einen Tick schneller drehen.

Was man daran ändern kann? Gar nichts. Da müsste man wahrscheinlich an den Amazonas umsiedeln. Oder in die innere Mongolei. Auf jeden Fall dahin, wo Zeit keine Rolle spielt. Aber wirklich eine Option ist das auch nicht. 


gemalt von Mäc!



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