Sonntag, 22. Juni 2014

Ich habe WM

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mich das Weltgeschehen im Moment herzlich wenig interessiert. Sollen sich Sunniten und Schiiten und was weiß ich wer noch die Köpfe ein- bzw. abschlagen (das machen sie wahrscheinlich seit Jahrhunderten so, bisher hat es nur keiner mitgekriegt), Putin und die Ukraine? Von mir aus kann er sie haben. Entführte Mädchen in Nigeria (ist das überhaupt noch ein Thema?) und Abhörskandal - mir alles egal. Keine Zeit. Ich habe WM.

Gestern also das Spiel gegen Ghana, das mich mal wieder an meinem Geisteszustand zweifeln ließ. Ich möchte den Spielverlauf an dieser Stelle nicht weiter kommentieren, er zerrte an meinen Nerven und Bernds Kommentare trugen auch nicht dazu bei, diese zu beruhigen. Im Gegensatz zu mir war er die Zuversicht in Person und ich fragte ihn zwischendurch, ob er sicher wäre, dass wir das gleiche Spiel schauen.

Der Kommentator Tom Bartels bestätigte meine Meinung zu Kommentatoren als unqualifizierte Laberschwätzer. Sein ständiges "wäre, hätte, würde, könnte" ging mir gewaltig auf den Sender. Ich schrie ihn an, dass weder das Leben noch der Fußball im Konjunktiv stattfänden. Andernfalls wäre ich in Brasilien, hätte Karten für das Spiel, würde das Geschehen auf dem Platz live verfolgen und könnte ihm bei dieser Gelegenheit das Mikrofon in den Rachen stopfen, auf dass er endlich seinen Schnabel hielte.

Nach dem 1:2 crushte ich das Eis in meinem Caipi auf Konfettigröße und fragte mich, ob es das wert sei. Im Grunde genommen geht es mich ja gar nichts an, was die Nationalmannschaft um Löw zusammenkickt. Es betrifft mein Leben nicht. Ob wir gewinnen oder verlieren hat mit mir nichts zu tun. Ich muss trotzdem heute 40 Häkchen und Ösen an Mäcs Korsage nähen. Da hilft mir kein Klose oder Neuer. Wobei - wäre mal ne Abwechslung für die Jungs. 

Mit diesen Gedanken versuche ich mich zu beruhigen. Es gelingt mir nicht. Zwischendurch beneide ich Menschen, die mit Fußball so gar nichts am Hut haben. Die Glücklichen, denke ich, sie machen sich klugerweise keine Gedanken über Menschen, die sie überhaupt nicht kennen, die nur Fußball spielen und die dennoch ihr Lebensglück entscheidend beeinflussen.

Meine zwischenzeitliche buddhistische Gelassenheit hat mit dem wahnsinnig idiotischen "Hackentrick" von Lahm am gegnerischen Strafraum (und dem damit eingeleiteten Konter des Gegners) ein Ende. Meinen Kommentar konnte man bis zu Nachbars hören.

Das Spiel ist aus und Mehmet Scholl bestätigt meinen Eindruck, dass das Spiel über weite Strecken einfach zu pomadig gewesen sei. Meine Worte. Ich schaue noch die erste Halbzeit des Spiels Bosnien-Herzegowina - Nigeria an, drehe meine Runde mit dem Hund und bringe mich auf Normalzustand.

Und am Donnerstag fegen wir die Amis vom Platz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen