Dienstag, 6. Mai 2014

Mord ist mein Hobby - Teil 1

Nachfolgende - fiktive - Geschichte ist schon etwas älter und spielt im Ferienlager 2009. Allerdings finde ich sie so gut, dass ich es schade fände, wenn sie bei mir im Archiv verstaubt.
Außerdem spiegelt sie meine damalige Befindlichkeit ganz gut wider.

Ich weiß nicht genau, wie es sich mit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verhält. Deshalb habe ich sicherheitshalber die Namen von einigen Protagonisten bis zur Unkenntlichkeit verfremdet.

Die Geschichte ist etwas länger. Deshalb gibt es sie in zwei Teilen.


Es hatte sich seit dem letzten Jahr nichts verändert. Nicht ein Wölkchen trübte den herrlichen Ausblick in die traumhafte Bergkulisse. Einige Kinder saßen an den Tischen vor dem Haus und widmeten sich konzentriert ihrem Tun, wieder andere saßen still in der Sonne. Das liebevoll gestaltete Ferienhaus schmiegte sich an den von saftigem Grün bewachsenen Steilhang, und noch immer stattete der Fuchs in der Nacht den Gästen einen Besuch ab. Ganz in der Nähe waren Kuhglocken zu hören, etwas unterhalb grasten Pferde und warfen ab und zu einen neugierigen Blick nach oben. Es war die Hölle.

»Ich sag’s euch ganz ehrlich: Irgendwann bring ich ihn um!!« Lisa stürmte in das Zimmer, in dem sich heimlich die Leiter und das Küchenteam trafen. »Der überlebt das Lager nicht, das schwör ich euch.«
»Komm setz dich erst mal und beruhige dich. Die restlichen paar Tage bringen wir auch noch mit Anstand hinter uns.« Jürgen mahnte wie immer zur Besonnenheit. »Lass uns erst mal die Gedenkminute für Elisabeth einlegen.«
»Ne, noch nicht. Der Christian fehlt noch. Wo ist der eigentlich?» Kerstin hatte wie immer ein wachsames Auge, wenn es um Christian ging. Denn das Mörderspiel lief selbstverständlich trotzdem. Allerdings beschränkt auf das Leiter- und Küchenteam.
»Der muss noch die grässliche Frieda massieren. Hat eine Wette gegen Magdalena verloren,« meinte Theresa lapidar, die daraufhin mit ungläubigen und teilweise angeekelten Blicken bedacht wurde.
»Bitte keinen Kommentar!» Christian betrat entnervt das Zimmer. »Lasst uns anfangen.«
Und so legten sie wie jeden Abend eine Gedenkminute für Elisabeth ein, die sich in einer Klinik von ihrem Nervenzusammenbruch erholte.

Das Ereignis, das alle Beteiligten in diese unglückliche Lage brachte, lag drei Wochen vor Beginn des Ferienlagers. Elisabeth hatte erfahren, dass das Ordinariat einen Aufpasser nach Neuenburg abstellen werde in der Absicht, ein waches Auge auf sie und die, wie es das Ordinariat nannte, Aufwiegler, zu halten und notfalls geeignete Schritte zu unternehmen. Sein Name: Frodo Franz. Elisabeth verputze daraufhin zwei Familienpackungen Mon cheri und stürmte in die gerade stattfindende Pfarrgemeinderatssitzung. Sie nannte Frieda Schrottmann eine frustrierte alte Jungfer, die bis ans Ende ihrer Tage ein freudloses Dasein fristen werde, Frau Börne eine scheinheilige Schnepfe, die eine Beleidigung für die Menschheit sei und Schwester Helena ein intrigantes, verschlagenes Miststück. Sie klärte die völlig fassungslosen Anwesenden darüber auf, dass der liebe Frodo ohne Erlaubnis seiner Mutter nicht mal einen Furz lassen kann, bezeichnete Hans-Peter Rasentrick als machtbesessene Arschgeige und den ganzen Rest des Pfarrgemeinderates als schlappschwänziges Pack. Ihr „Was-ich-euch-immer-schon-mal-sagen-wollte“ wurde durch das beherzte Eingreifen von Andreas Fux beendet, indem er Elisabeth kurzerhand aus dem Saal trug und den Krankenwagen rief. Seitdem erholte sie sich in der Klinik.

Die Leiterrunde entschied, das Lager notgedrungen ohne Elisabeth stattfinden zu lassen, so kurz vor Beginn konnte man es auch kaum mehr absagen. Nach drei unbeschwerten Tagen in Lenzerheide tauchte dann ein Auto auf: Frodo und Frieda übernahmen ohne Rücksicht auf Verluste die Leitung.

Für die Leiter und Kinder zog dies natürlich grundlegende Veränderungen nach sich. Das ganze Programm wurde umgeworfen. Statt Morgenlob gab es um 5 Uhr eine Eucharistiefeier mit Teilnahmepflicht. Danach musste schweigend das Frühstück eingenommen werden. Die Kreativangebote bestanden aus dem Fertigen von Rosenkränzen und Geißeln für den Hausgebrauch. Es gab Meditationsrunden, Glaubenskreise und eine Einführung in das Leben und Wirken von Edith Stein. Das nachmittägliche Angebot von Kaffee und Kuchen wurde gestrichen, da dies ein Ausdruck von Völlerei sei. Statt der Sternstunde gab es die stille Anbetung, die allabendlich von Stefan gefilmt werden musste. Um 21 Uhr war Bettruhe. Das Abendprogramm wurde ersatzlos gestrichen. Statt eines Musicals wurde ein Passionsspiel eingeübt, das im nächsten Jahr auf dem Kirchplatz aufgeführt werden sollte. Frodo und Frieda wollten dies –ähnlich wie in Oberammergau- auch in Neuenburg etablieren.
Jürgen war zwar nicht sonderlich begeistert, allerdings sagte er zu, sich um die Musik zu kümmern. Jürgen ist, was Musik betrifft, auch nicht so leicht abzuschrecken. Man sah ihn schon mit den „Listigen Rebläusen“ auf dem Rathausplatz lustige Lieder spielen, also war ein Passionsspiel grundsätzlich kein Problem. Anders verhielt es sich da bei seinen Musikerkollegen. Lukas hatte keine Lust auf Passion und nein, er wolle nicht die Rolle von Jesus übernehmen und außerdem sei er sowieso evangelisch. Karsten sprang dafür ein unter der Bedingung, dass Theresa die Rolle der Maria-Magdalena übernimmt, das habe ja auch schon bei High-School-Musical geklappt. Troy und Gabriella wären ja schon irgendwie krass gewesen. Mit Theresa verhält es sich ähnlich wie mit Jürgen: Sobald sie hört, sie könne auf die Bühne, nimmt sie die Gelegenheit war. Allerdings musste man ihr schonend beibringen, dass Maria-Magdalena nicht hüfteschwingend über einen Catwalk läuft. Und auch ihr Kostüm war nicht sonderlich prickelnd. Eher sackmäßig. Außerdem bestand sie darauf, auch am letzten Abendmahl teilzunehmen. Das Küchenteam weigerte sich standhaft, im Chor mitzusingen. Der bestand daher auch nur aus der grässlichen Frieda.
Christian war bereit, zusammen mit Jan das Kreuz zu zimmern. Christoph wurde als Jünger bestimmt, wegen der Fußwaschung. Lea beaufsichtigte das Dornenkronenbasteln.

Nach der ersten Woche wurde ein Großteil der Kinder von wütenden Eltern abgeholt, Sebbi Ziel strich als einziger der Leiter die Segel und fuhr heim. Sieg-Linda stieß als Lagerkind neu hinzu. Platz gab es also in Hülle und Fülle und so trafen sich Leiter und Küchenteam jeden Abend in einem anderen Zimmer zur Krisensitzung.
»Und wie würdest du das anstellen?« nahm Angelika Lisas Anregung zum Tode von Frodo wieder auf. »So einfach wäre das sicher nicht zu bewerkstelligen.«
»Ach, da fällt uns schon was ein. Du könntest ihn doch auf einer deiner Wanderungen mitnehmen und ihn in eine Schlucht werfen,« brachte sich Gaby konstruktiv in die Diskussion ein. Um dem Horror zu entfliehen und auch ein klein wenig im Gedenken an Elisabeth bot Angelika täglich eine Wanderung an. Mittlerweile kannte sie jeden Stein in der Umgebung.
»Zu viele Zeugen. Ihr wisst ja, wie begehrt meine Wanderungen sind. Das würde schwierig werden, den Frodo unbemerkt eine Schlucht hinunter zu schubsen. Außerdem, was, wenn der Sturz nicht tödlich ist? Dann komm ich ganz schön in Erklärungsnot. Andreas, du könntest ihm doch ein leckeres Pilzgericht kochen.«
»Klar, ist auch völlig unverdächtig. Nein, nein, es müsste schon wie ein Unfall aussehen. Und da wäre ein Sturz halt doch die einfachste Lösung.«
»Und was machen wir mit Frieda? Die würde doch garantiert Verdacht schöpfen.« Karstens Einwand war nicht von der Hand zu weisen.
»Na und? Kann sie ja. Sie kann uns ja nichts beweisen.« wischte Lisa Karstens Bedenken vom Tisch.
Und so saßen sie noch bis drei Uhr früh, spannen Mordpläne und malten sich ein Leben ohne Frodo in den schönsten Farben.

Alle außer Frodo, Frieda und Sieg-Linda fieberten dem Ende dieses unsäglichen Ferienlagers entgegen. Noch drei Tage, wieder saß man etwa 2 Stunden nach dem Abendessen zusammen, ließ bei Rotwein und Feldschlösschen die Seele baumeln, als ein durch Mark und Bein dringender Schrei dem harmonischen Abend ein Ende bereitete. Blitzschnell waren alle auf den Beinen und stürmten in Richtung Küche, von wo ihnen eine schreiende Sieg-Linda entgegen rannte. Das Kind war völlig außer sich und stammelte unzusammenhängende Worte, von denen als einziges Pfarrer zu entschlüsseln war. Lari nahm sich schützend des Kindes an und brachte es in sein Zimmer. Beate rannte, um Notfalltropfen zu holen, irgendwie musste das Mädchen ja zu beruhigen sein. Die anderen machten sich weiter auf die Suche nach dem Grund von Sieg-Lindas Zusammenbruch.
Sie wurden fündig, als die die Tür zum Vorratsraum öffneten. Am Fuße der Treppe lag der Pfarrer. Tot.
»Gelobt sei Jesus Christus!«
»In Ewigkeit, Amen.« Betreten sahen sich Angelika und Gaby an.
Christian fand von den Leitern als erster die Fassung wieder. »Lass mich mal durch,« bat er. Sie machten ihm Platz und er betrat beherzt die Treppe. »Und Tschüss.«
»Ach, Mensch Christian, das ist nicht fair. Das gilt jetzt nicht.« Kerstin regte sich mal wieder über die unfaire Spielweise von Christian auf.
»Also ich würde sagen, der Andreas und ich gehen erst mal eine rauchen.« Elke dachte wie immer an das Naheliegenste und löste so die allgemeine Konsterniertheit.
»Als Unfall können wir es auf jeden Fall nicht aussehen lassen.» meinte Andreas, ehe er sich Elke anschloss. »Das ist nämlich mein Messer, das da in seiner Brust steckt!«
In der Zwischenzeit hatten sich in der Küche sämtliche Lagerkinder eingefunden und man hatte Mühe, sie davon zu überzeugen, dass es nichts Besonderes zu sehen gäbe. Sieg-Linda habe nur schlecht geträumt und werde sich sicher gleich beruhigen.
»Und was machen wir jetzt mit dem toten Frodo? Wir können ihn wohl kaum hier liegen lassen. Da liegt er nämlich im Weg. Ich habe keine Lust, jedes Mal außen rum in den Vorratsraum zu latschen.« Beate dachte wie immer praktisch.
»Ich würde vorschlagen, wir verständigen die Polizei und die Spurensicherung.«, ergriff Theresa das Wort.
»Ja klar, und dann kommen Mac Taylor, Horatio Caine und Stella Bonasera vom CSI Lenzerheide. Aber du hast recht. Seit wann er wohl schon da liegt?« nachdenklich blickte Heike in die Runde.
»Da müssten wir schauen, ob die Leichenstarre schon eingesetzt hat und wie hoch seine Körpertemperatur noch ist. Aber das soll meinetwegen die Polizei rausfinden. Von uns hat ihn jedenfalls keiner ermordet, oder?« Kerstin blickte alle herausfordernd an.
»Du brauchst mich gar nicht so anzusehen, ich war’s nicht.« Jan hob abwehrend die Hände. Jeder beteuerte seine Unschuld.

Fortsetzung folgt ...


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